Tag der Wehrpflicht: Verteidigungsministerin Tanner will Grundwehrdienst und Miliz attraktiver machen

  • Erstellt von Franz Teszar
  • Niederösterreich

NÖKB-Ehrenpräsident Franz Teszar berichtet von seinen Eindrücken vom Tag der Wehrpflicht.

Am Traditionstag, dem 20. Jänner 2020, fand im voll besetzten Festsaal des Hauses der Industrie am Schwarzenbergplatz in Wien der von der „Plattform für ein wehrhaftes Österreich“ bestens organisierte, bereits traditionelle „Tag der Wehrpflicht“ statt. Es waren zahlreiche Mitglieder aus allen inzwischen 16 Organisationen der Plattform (darunter Offiziers- und Unteroffiziersgesellschaft, Interessengemeinschaft der Berufsoffiziere, Austrian Peacekeeper, Traditionsvereine und natürlich ÖKB) gekommen, darunter auch sehr viele Kameradinnen und Kameraden des ÖKB NÖ.

Die hohe Politik war durch das Erscheinen einer großen Zahl aktiver und pensionierter Abgeordneter sowie der Wehrsprecher der staatstragenden Parteien präsent. Seitens der militärischen Führung war alles, was Rang und Namen hat, vom Chef des Generalstabes abwärts, anwesend. Auch ehemalige Minister und höchste Offiziere des Ruhestandes sowie Freunde des Bundesheeres  gaben der Veranstaltung die Ehre.

Besonders freundlich begrüßt wurde die neue Verteidigungsministerin, die gleich zu Beginn eine dynamische Grußbotschaft hielt, wofür sie viel Applaus erntete. Dabei bekannte sie sich voll zur Wehrpflicht und zum Milizsystem. Beide Komponenten seien entscheidend für eine erfolgreiche Aufgabenerfüllung des Bundesheeres gemäß Bundesverfassung und beide Komponenten wolle sie daher stärken und attraktiver machen. Als erster Schritt ist hierbei die Einführung neuer Tauglichkeitsstufen, also auch einer Teiltauglichkeit, geplant. 

Souverän geleitet und moderiert wurde die Tagung durch den Präsidenten der Österreichischen Offiziersgesellschaft (OG), Brigadier Mag. Erich Cibulka.

Hauptthema des „VII. Tages der Wehrpflicht“ waren aber Informationsberichte über den derzeitigen Zustand der „Umfassenden Landesverteidigung“ (ULV) als „umfassende Antwort auf moderne Bedrohungen“, wie es in der Einladung hieß. Die „Militärische Landesverteidigung“ war bereits beim „VI. Tag der Wehrpflicht“ im vergangenen Jahr behandelt worden, weshalb heuer hauptsächlich auf die „zivilen“ Bereiche der ULV eingegangen wurde. Zu diesem Zweck wurden durch höchste Beamte der Ministerien für „Digitalisierung und Wirtschaftsstandort“, „Inneres“ und „Bildung, Wissenschaft und Forschung“ sehr interessante Vorträge betreffend die „wirtschaftliche“, „zivile“ und „geistige“ Landesverteidigung gehalten.

Vorerst gab aber der Präsident der OG NÖ, im Hauptberuf Jurist im Verteidigungsministerium, einen Überblick über die rechtlichen Grundlagen sowie über die Entstehung, Entwicklung und Bedeutung der ULV und über die entsprechenden Beschlussfassungen.
Der Vertreter des Wirtschaftsministeriums berichtete über die geplanten Maßnahmen zur Sicherstellung von Nahrungsmitteln, Energie und Treibstoffen im Krisenfall, der Vertreter des Innenministeriums über Alarmierung, medizinische Versorgung und Sicherheit, der Vertreter des Bildungs- und Wissenschaftsministeriums über Stärkung der Resilienz (psychische Widerstandsfähigkeit bei Krisen) und Erhaltung des Selbstbehauptungswillens der Bevölkerung. 
Danach erläuterten ein ehemaliger Bezirkshauptmann und der Leiter einer städtischen Rettungsstelle die praktische Umsetzung der ministeriellen Vorgaben auf unterer Ebene im „wirtschaftlichen“ und „zivilen“ Bereich. Der ehemalige Bezirkshauptmann schilderte dabei, dass in den BHs 14 verschiedene leere, für Bearbeitungen durch EDV oder Schreibmaschine aber nicht geeignete  Lebensmittelkarten, die im Krisenfall an die Gemeinden auszufolgen sind, aufliegen, darunter separate Raucherkarten für Männer und Frauen, und er bezweifelte die tatsächliche Umsetzbarkeit im Ernstfall in seinem Bezirk mit 112.000 Einwohnern.
Interessant war auch die Aussage des genannten Leiters der Rettungsstelle, dass die Durchhaltefähigkeit seiner Organisation wohl nur auf 2 - 3 Tage beschränkt wäre.

Nach den Statements der  Vortragenden konnten Fragen gestellt werden, und es ergab sich noch eine rege Diskussion.

Als wenig erfreuliches Resümee muss aber leider festgehalten werden, dass die ULV nach dem Ende des „Kalten Krieges“ mehr oder weniger „eingeschlafen“ ist bzw.  stark vernachlässigt wurde, weil man offensichtlich hoffte, dass nun, nach Wegfall der militärischen Bedrohungen der „ewige“ Friede, Platz greifen würde, was sich aber sehr rasch als höchst trügerisch herausstellte. Inzwischen dürfte allerdings schön langsam offensichtlich ein Umdenken stattfinden, denn die Verantwortlichen werden sich der vielfältigen neuen, modernen und zunehmenden Bedrohungen mehr und mehr bewusst.

Nach der Veranstaltung hatten die Besucher bei einem sehr schmackhaften Gulasch mit Bier und anderen Getränken noch die Gelegenheit zum Meinungsaustausch, was auch reichlich genutzt wurde.

Der „VII. Tag der Wehrpflicht“ hat sein Ziel, nämlich die Geschlossenheit der  16 wehrpolitischen Verbände in puncto Wehrpflicht eindrucksvoll vor einer breiten Öffentlichkeit zu demonstrieren, sicher voll erreicht. Mit Spannung wird schon jetzt erwartet, welche – hoffentlich – Erfolgsmeldungen es beim „VIII. Tag der Wehrpflicht“ am 29. Jänner 2021 geben wird, und ob die zahlreichen Versprechen zur Verbesserung der Belange der Landesverteidigung auch tatsächlich eingehalten wurden.

BM Tanner: Mitglied im Ortsverband Gresten
Ganz zum Schluss noch ein kleines, aber sehr erfreuliches Detail: Als die neue Verteidigungsministerin nach der Veranstaltung den Verfasser dieses Berichtes erblickte, ging sie spontan auf ihn zu, begrüßte ihn herzlich und verkündete voll Freude, dass auch sie Mitglied beim ÖKB (OV Gresten, NÖKB) ist.

tdw-tanner.jpg  Verteidigungsministerin Klaudia Tanner bei ihrer Rede.
tdw-cibulka.jpg  Plattformpräsident Erich Cibulka moderierte die Veranstaltung.
tdw-noekb.jpg  Der ÖKB-Landesverband NÖ war stark vertreten - am Bild von links: HBO Reinhard Graf, Vizepräsident Wolfgang Heuer, Internet-Chef Heinrich Grössl, NÖ Militärkommandant Martin Jawurek, Stabschef Rudolf Striedinger (Verteidigungsministerium) und ÖKB-Vizepräsident und HBO Johann Glöckl.
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