Der französische Schriftsteller André́́́́́́ Malraux hat in seinem Buch „Le conquerants“ – die Eroberer - den Satz geprägt: Wer die Zukunft lesen will, muss in der Vergangenheit blättern. Er wollte damit zum Ausdruck bringen, dass bei Planungen für die Zukunft die Vergangenheit betrachtet werden muss. Hier soll vorerst die Vergangenheit des ÖKB und das Umfeld beleuchtet werden und sollen neue Leitlinien für die Gegenwart und Zukunft aufgezeigt werden.
Noch in der Zeit des 30 Jährigen Krieges (1618-1648) hat es keinerlei Absicherung von Soldaten gegeben. Ein Mindestmaß an Fürsorge ist durch Stiftungen von Adeligen und Wohltätern erfolgt. So hat Kaiserin Maria Theresia 1750 in Pettau (Ptuj) eine Invalidenhaus errichtet.
Bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts haben sich vereinzelt Veteranen zur gegenseitigen Unterstützung und Hilfe und von Witwen und Waisen zusammengeschlossen. Die erste Gründung eines österreichischen Soldatenvereins ist im Jahr 1821 erfolgt und zwar in Reichenberg (Böhmen), die im Zusammenhang mit der Völkerschlacht bei Leipzig 1813 zu sehen ist.
Im Jahr 1830 wurde der erste Wiener Kameradschaftsverein gegründet, später kam es in anderen Teilen Österreichs zur Errichtung ähnlicher Vereinigungen. Erst im Revolutionsjahr 1848 kam es zu einer Erleichterung der Bildung von Vereinen. Für bewaffnete Bürger und Schützenkorps gab es ab 1851 eine grundlegende gesetzliche Regelung. Das Vereinsgesetz 1867 und die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht 1868 haben eine Veränderung herbeigeführt, wobei die allgemeine Wehrpflicht die vorher gefürchtete „Soldateska“ zum Volksheer gemacht hat. Die beiden Entwicklungen, die Verbesserung des Vereinswesens und die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht, waren Wegbereiter für eine neue Welle der Gründung von Veteranenvereinigungen. Einher gingen einschneidende Kriegsereignisse, wie beispielsweise die Schlacht von Königgrätz (1866) oder die Okkupation Bosnien-Herzegowinas (1878). Die Vereine hatten vorerst überwiegend wohltätigen Charakter. Im Jahr 1875 konnte die Erlassung eines staatlichen Militärversorgungsgesetzes erreicht werden Daneben erlangten die Vereine als Träger von Totengedenken Bedeutung. Im Jahr 1870 hat es den ersten gesamtösterreichischen Jahrestag der Veteranenvereine gegeben. 1895 haben sich die Militärveteranenvereine, Kriegsvereine, Militärveteranenkorps und Militärveteranenunterstützungsvereine im k.k österr. Militär-Veteranen-Reichsbund zusammengeschlossen, um sich gegenseitig zu unterstützen und einheitlich aufzutreten. Ab 1900 durften die Mitglieder Uniform tragen. Die Aufwertung sollte die Geisteshaltung stützen, die das Heer als Schule der Nation betrachtet hat. Auch die Traditionspflege wurde Vereinszweck. 1912 wurden mit dem staatlichen Unterhaltsbeitragsgesetz Regeln für die Versorgung von Invaliden, Witwen und Waisen erlassen.
Zu Beginn des 1. Weltkriegs wurde die Dachorganisation k.k Kriegskorps gegründet. 1915/1916 und 1917 hat der Kaiser Verordnungen erlassen, die Ansprüche von Soldaten und deren Angehörigen begründet haben. Nach dem 1. Weltkrieg wurde das k.k Kriegskorps aufgelöst und der österreichische Reichskrieger- und Kameradschaftsbund (RKKB) gegründet, analog zum deutschen Kyffhäuserbund. Daneben gab es paramilitärische Vereinigungen. In Salzburg, Niederösterreich und der Steiermark hat sich der Alpenländische Kriegsteilnehmerbund und der Kameradenbund ausgebreitet, die auch Kriegsdenkmäler errichtet haben. 1920 hat das Parlament ein Invalidenentschädigungsgesetz und ein Invalidenbeschäftigungsgesetz erlassen, wobei abgestufte Leistungen festgelegt wurden und eine Beschäftigungspflicht oder Ausgleichszahlung für Invalide festgelegt wurde. Nach der Eingliederung Österreichs in das deutsche Reich wurden die Altsoldatenverbände in Österreich aufgelöst und in den NS-Reichskriegerbund übergeführt. Das ASVG, das allgemeine Sozialversicherungsgesetz wurde eingeführt, womit eine flächendeckende medizinische Versorgung festgelegt wurde. Nach dem Ende des 2. Weltkriegs begannen sich ehemalige Soldaten zu formieren und für ihre gemeinsamen Interessen und die Interessen für Witwen und Waisen einzutreten. In Kärnten, Steiermark und Wien wurden Heimkehrerhilfs- und Betreuungsstellen (ab 1946) gegründet, ab 1948 Unterstützungs- und Wohltätigkeitsvereine. Die Vereine genossen die Protektion hoher österreichsicher Politiker. Die Heimkehrerhilfs- und Betreuungsstelle der Steiermark veranstaltete 1948 in der Steiermark ein großes Kameradentreffen unter dem Ehrenschutz von Bundeskanzler Figl und Minister Helmer. Ab dem Jahr 1952 war es möglich, im gesamten Bundesgebiet entstandene Gruppierungen zum neu gegründeten österreichischen Kameradschaftsbund zu vereinen. 1957 konnte die Erlassung eines Kriegsopferversorgungsgesetzes erreicht werden, für zivile Opfer ein Opferfürsorgegesetz. Trotz anfänglicher Schwierigkeiten konnte sich der österreichische Kameradschaftsbund im Lauf der Vereinsgeschichte von einer Interessengemeinschaft ehemaliger Kriegsteilnehmer zu einer gesellschaftspolitischen Kraft entwickeln. Mit dem Kriegs- und Verfolgungsschädengesetz wurde erstmals die Entschädigung von Sachschäden geregelt. Das Heeresversorgungsgesetz, seit 2016 Heeresentschädigungsgesetz, soll die Absicherung von Bundesheerangehörigen festlegen. Vor allem der starke Zuwachs aus den Reihen des Österreichischen Bundesheers hat dem Verein zu hohen Mitgliederstärken verholfen. 2001 wurde mit dem Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz eine Lücke geschlossen. Mit größer werdender zeitlicher Distanz zum 2. Weltkrieg und der sozialen Absicherung für Soldaten, hat sich die Interessengemeinschaft ehemaliger Kriegsteilnehmer (Schicksalsgemeinschaft) zu einer Wertegemeinschaft gewandelt. Einerseits spielt die Kontinuität der Kriegsgeneration eine Rolle, nämlich die Werte wie Ehre und Gemeinschaftssinn. Dazu kommen die Pflege von Kriegsdenkmälern und Traditionen, die Aktivitäten für die Gemeinschaft, die Pflege der Mitmenschlichkeit, die Heimatverbundenheit und das Bekenntnis zur umfassenden Landesverteidigung. Der zunehmenden Immigration, der Vermischung ethnischer, religiöser und kultureller Räume und der Pluralität kultureller und künstlerischer Ausdrucksformen sollte zurückhaltend begegnet werden, um die eigenen Wertvorstellungen nicht auszuhöhlen.
Der abnehmenden Akzeptanz der Bevölkerung gegenüber der Wehrhaftigkeit sollte entgegengetreten werden.
Nach der sozialen und vermögensrechtlichen Absicherung von Kriegsteilnehmer und Soldaten, haben sich die Aktivitäten des ÖKB heute verfestigte Inhalte, wie zum Beispiel die Pflege der soldatischen Tradition, die Unterstützung von Bedürftigen und Kranken, die Veranstaltung von Festen und die Abhaltung von Totengedenken. Sie haben aber auch bewegliche Inhalte, wie die Haltung zur Sicherheitspolitik und das Verhältnis des Bürgers zum Staat und umgekehrt, die der Zeit anzupassen sind und neu definiert werden müssen. Nach fast 80 Jahren nach dem 2. Weltkrieg, in einer Zeit des Wohlstands einerseits, der Bedrohung vor atomarer Auseinandersetzung, Krieg und Terror, sowie großen Problemen bei der Zuwanderung und Integration andererseits müssen Richtlinien gezeigt werden, die allgemein und für den ÖKB speziell für die Gegenwart und Zukunft gelten sollten.
Dazu hat der seinerzeitige deutsche Innenminister Lothar de Maiziere Leitlinien einer Leitkultur festgelegt, die angepasst auch für den Kameradschaftsbund als Handlungsrichtlinie gelten sollten.
1. Das Gebot der anständigen Begegnung
Wir legen Wert auf soziale Gewohnheiten, nicht weil sie Inhalt, sondern Ausdruck einer bestimmten Haltung sind. Wir sagen unseren Namen, geben uns zur Begrüßung die Hand und zeigen unser Gesicht. Wir müssen daher einfordern, dass dieses Gebot von allen Seiten beachtet wird und vor Gerichten, den Behörden und der Polizei, in der Schule und bei der staatlichen Ausbildung sowie im Krankenhaus und bei Demonstrationen eine Vollverschleierung oder Vermummung verboten wird und dieses Verbot auch durchgesetzt wird.
2. Das Gebot der Allgemeinbildung
Wir meinen, dass Bildung und Erziehung nicht allein ein Instrument sind, sondern ein Wert an sich. Schüler sollen zwar Berufsvorbereitung erfahren, aber auch Allgemeinbildung genießen. Sie unterstützt nicht nur das eigene Fortkommen, sondern auch das Verständnis für Demokratie und Staat.
3. Das Gebot des Leistungsgedankens
Wir sehen Leistung als etwas an, auf das jeder einzelne stolz sein kann. Leistung und Qualität bringen Wohlstand; durch die sozialen Sicherheitssysteme gibt es auch Unterstützung für Hilfsbedürftige, die wiederum nur durch Leistung möglich ist. Wir dürfen frei nach John F. Kennedy auch nicht immer fragen, was der Staat für uns tun kann, sondern was wir für den Staat tun, also leisten, können.
4. Das Gebot des Geschichtsbewusstseins
Wir sind Erben unserer Geschichte mit allen ihren Höhen und Tiefen. Auch wenn wir die dunklen Kapitel der Vergangenheit nicht verschuldet haben, tragen wir doch Verantwortung dafür. Diese Vergangenheit prägt unsere Gegenwart und Kultur. Wir haben aber nach schmerzlichen Auseinandersetzungen und fürchterlichen Kriegen gelernt, mit den Nachbarn in Frieden zu leben. Wir bekennen uns zu Europa, zu unserem Staat und unserer christlichen Religion.
5. Das Gebot der Kulturnation
Wir sind eine Kulturnation. Wir werden als relativ kleines Land mit den Wiener Sängerknaben und Mozart als Kulturgroßmacht wahrgenommen. Zu uns gehören die Salzburger Festspiele ebenso wie einer der berühmtesten deutschen Dichter, nämlich Peter Handke. Wir leben nach dem aphoristischen Spruch von Friedrich Schiller: „Der Menschheit Würde ist in eure Hand gegeben, mit euch sinkt sie hinab, mit euch wird sie sich heben.“
6. Das Gebot der Achtung der Religion
In unserem Land ist Religion Kitt und nicht Keil der Gesellschaft. Dafür stehen in unserem Land die Kirchen mit ihrem unermüdlichen Einsatz für die Gesellschaft, sei es als Caritas oder Diakonie. Wir sind gegen den Missbrauch der Religion. Die Religion darf sich auch nicht selbst missbrauchen lassen, wie es von Kreuzfahrern mit dem Ruf „Deus volt (Gott will es)“ und von Muslimen mit dem Ruf „Allahu akbar (Gott ist groß)“ versucht wurde und versucht wird. Religion ist persönlich wichtig und muss versöhnlich ausgeübt werden, sonst stellt sie sich selbst in Frage.
7. Das Gebot der Zivilkultur
Wir stehen dazu, dass der Kompromiss ein grundlegendes Merkmal der Demokratie ist. Dem Mehrheitsprinzip auf der einen Seite steht der Minderheitenschutz auf der anderen Seite gegenüber. Respekt und Toleranz sind wichtig. Wir gehen davon aus, dass Konflikte friedlich zu regeln sind und im äußersten Fall durch Gerichte. Wir stehen aber auch dazu, dass es ein Notwehrrecht des Staates gegen Gegner von außen gibt und auch ein Recht, sich nach innen gegen militante Gegner zu wehren. Wir sind für eine freiheitliche, aber für eine wehrhafte Demokratie. Die Wehrhaftigkeit muss angesichts der Terroranschläge und der Kriege in unserer Nachbarschaft wachsen und zwar sowohl im polizeilichen Bereich mit den möglichen Überwachungen als auch im militärischen Bereich durch notwendige Spezialisierung und den Aufbau einer verpflichtenden Miliz. Es darf keine rechtsfreien Räume geben, wie in Hamburg bei den Protesten gegen den G20-Gipfel bei der Roten Flora oder in Wien bei Hausbesetzungen. In einer freien Demokratie, wo sich abweichende Meinungen friedlich vortragen lassen, ist jede Begründung für Gewalt unzulässig. Gewalt darf im angemessenen Maß nur vom Staat angewendet werden.
8. Das Gebot des Patriotismus
Wir sind aufgeklärte Patrioten. Ein aufgeklärter Patriot liebt sein Land, wie es der seinerzeitige deutsche Bundespräsident Rau gesagt hat, und hasst nicht das andere. Im Gegensatz dazu steht der Nationalismus, der sein Volk für etwas Besseres hält als das andere Volk. Mit dem Nationalismus hat sich Europa im 20. Jahrhundert selbst zerstört; leider erleben wir, z.B. beim Brexit oder in den USA, ein Aufflackern des Nationalismus. Wir achten unsere Nationalfahne und unsere Nationalhymne, mit den bezeichnenden Worten und dem plakativen Inhalt: „Heiß umfehdet, wild umstritten liegst dem Erdteil du inmitten einem starken Herzen gleich.“ Wir wollen ein starkes, freundliches Herz für Europa sein.
9. Gebot des Europagedankens
Unser Land hat viele Einschnitte erlebt. Einige waren mit Grundentscheidungen verbunden. Eine der wichtigsten hat gelautet: Wir sind Teil des Westens, kulturell, geistig und politisch. Europa ist unsere gemeinsame Zukunft. Vor mehr als 65 Jahren, am 25.03.1957 wurden die Römischen Verträge unterzeichnet und die EWG gegründet, die nach dem Vertrag von Maastricht 1992 EU heißt. Die Mitglieder haben mit der Einigung Wohlstand und Frieden gesichert.
10. Gebot des gemeinsamen Gedächtnisses
Wir haben ein gemeinsames Gedächtnis für Orte und Erinnerungen. Wir achten Friedhöfe und Kriegerdenkmäler und würden uns wünschen, dass nicht nur die alliierten Gedenkstätten unter Schutz gestellt werden, sondern auch unsere Kriegsdenkmäler. Wir lieben unsere Heimat. Je unübersichtlicher unsere Welt wird, desto mehr sehnt sich der Mensch nach Vertrautheit. Je mehr Leute zu uns kommen, umso wichtiger wird die eigene Gemeinschaft und der Ort, wo man lebt. Heimat ist, wo man geboren wurde und vielleicht begraben wird. Heimat ist, wo man sich wohlfühlt, der Lebensstil. Heimat ist Nähe und Wärme, Bindung und Suche. Heimat ist Bewusstsein und Glaube. Heimat ist Miteinander und Gemeinschaft. Heimat ist Sicherheit. Heimat ist Tradition und Arbeit. Heimat ist Zukunft und Sehnsucht.
Der französische Schriftsteller André́́́́́́ Malraux hat gesagt: „Wer die Zukunft lesen will, muss in der Vergangenheit blättern.“ Wir haben in der Vergangenheit geblättert und uns mit den 10 Geboten zur Leitkultur mit der Zukunft beschäftigt. Wenn die Vorgänge aus der Vergangenheit beachtet werden und die 10 Gebote der Leitkultur umgesetzt werden, wird der Leitsatz von Andre Malraux befolgt und eine gute Zukunft möglich sein.
Dr. Franz Unterasinger